253.J86 Entwerfen // 10.0 ECTS // SS 2023
Betreuung: Silke Fischer
Im Sommer 1982 fahren Carol Dunlop und Julio Cortazar mit „Fafnir“, ihrem VW Bus, von Paris nach Marseille. Die Strecke auf der Autoroute du Soleil ist gemeinhin in 6 Stunden zu bewältigen. Dunlop und Cortazar brauchen 4 Wochen. Jeder Rastplatz wird besucht, erkundet, erforscht, keiner wird ausgelassen. Mindestaufenthaltsdauer: eine Mahlzeit. Auf jedem zweiten Rastplatz wird übernachtet. Die Transitstrecke, im Grunde nur Nebenprodukt der Befriedigung einer anderen Sehnsucht (dem Meer), wird hier zum Ort des Möglichen selbst erklärt. Die Zone der Unachtsamkeit wird auf Reserven und Unentdecktes geprüft.
Dunlop und Cortazar sind Expeditionsteilnehmer:innen – Argonauten auf der Kosmobahn. Es ist wohl eine der schönsten Anregungen der Literaturgeschichte zum Perspektivenwechsel. (Dunlop, Cortazar. Die Argonauten auf der Kosmobahn. Suhrkamp. Berlin 2014)
Was den Argonauten die Kosmobahn ist uns die Stadt Wien und was ihnen der Fafnir ist uns die Architektur.
STAYCATION #2
folgt auf STAYCATION und STAYCATION 1:1 (daily pleasure infrastructure – kanalWAL, Donaukanal)
STAYCATION #2 – als englische Übersetzung von „Urlaub zu Hause“ oder als Ableitung von Vacation – hat aber im Kern den Anspruch, dass das gute Leben für Alle möglich sein muss. STAYCATION ist keine Sparidee und kokettiert nicht mit Bescheidenheit, stellt dafür offen die Frage nach einem möglichen Mehr.
STAYCATION #2 versteht sich mindestens als ökologischer Begriff (als Alternative zum herrschenden Tourismuskonzept) und ist darüber hinaus aber generell politisch – gesellschaftlich motiviert: Er stellt das (noch immer) gültige Zeit – Konzept unserer Arbeits-Gesellschaft zur Diskussion: denn solange Urlaub nur die Wiederherstellung von Arbeitskraft meint, ist das Projekt des besseren Lebens noch nicht gelungen.
STAYCATION will Potentiale im öffentlichen Raum finden und benennen, um dann Zugänglichkeit zu schaffen und sucht Orte, die ein Problem haben, aber vielleicht eine Qualität erahnen lassen.
Asphaltwüsten – problematische Inseln – Extremlagen oder einfach nur Gelegenheiten
Die Orte werden von den Teilnehmer:innen vorgeschlagen und in der Gruppe diskutiert und ggf auch gemeinsam kuratiert. Es gibt außer der Konstellation „Problem – Qualität“ keine Vorgaben: die zukünftigen Entwürfe können freistehen oder parasitär schmarotzen, sich anlehnen oder draufsetzen.
Zur Umsetzung von STAYCATION ist klarerweise das Mittel der Wahl die Architektur:
daily pleasure infrastructures sind Nahversorger, die den Urlaub zu Hause fördern. Sie sind konkret – utopische, sozial motivierte Raumstrukturen mit öffentlichem Programm.
Sie sind mehr als ein Möbel aber nicht zwangsläufig ein Haus. Sie sind offen und für Alle zugänglich. Die Basisausstattung des Nahversorgers spürt unseren Grundbedürfnissen nach: sich abkühlen oder aufwärmen, Essen, in Gemeinschaft sein, Aussicht haben. Sie sind nicht monofunktional und idealerweise zumindest in Teilen ganzjährig zu nutzen. Ihr Maßstab richtet sich nach dem Ort. daily pleasure infrastructures haben eine räumliche Qualität und idealerweise auch etwas Witz.
daily pleasure infrastructures dürfen überraschen und auffallen, denn sie sind Boten einer besseren Zukunft.
Das zeigt sich in Material und Konstruktion sowie in ihrem Verhältnis zu den Elementen Licht, Luft und Wasser. In dem Sinn leisten sie auch einen intelligenten Beitrag was ihre Versorgung anbetrifft. Je nach Wahl des Ortes werden sich unterschiedliche Fragen stellen und Möglichkeiten ergeben: Vom solaren Kleinkraftwerk bis zur low tech Wasseraufbereitungsanlage ist alles denkbar.
daily pleasure infrastructures unterliegen der hochbautechnischen Bearbeitung und schätzen das gute Detail.