In der Lehrveranstaltung werden die Lehrinhalte des Bachelorstudiums sowie der Grundlagenübungen und die daraus erworbenen Kompetenzen zu komplexen architektonischen Aufgabenstellungen verbunden. Vermittelt wird die Fähigkeit, Architektur als Prozess zu begreifen, bei dem Voraussetzungen und Ziele einer Entwurfsaufgabe architektonisch und städtebaulich bearbeitet werden. Ein Entwurf wird auf der Grundlage einer gestalterischen Konzeption als auch unter Berücksichtigung sozialer, räumlicher, baukonstruktiver und ökologischer Anforderungen entwickelt.
Wien zählt heute zu den am schnellsten wachsenden Städten Europas. Allein in den kommenden zehn Jahren wird mit einem Zuwachs von rund 150.000 Menschen gerechnet – das entspricht der Bevölkerungsgröße einer Stadt wie Salzburg. Dieses Wachstum bringt neue Anforderungen an den urbanen Raum mit sich: mehr Bedarf an Wohnraum, sozialen Infrastrukturen, Freiräumen, Mobilitätsangeboten und kulturellen Einrichtungen.
Wie können wir in einer bereits dichten Stadt zusätzlichen Raum für Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur schaffen – ohne neue Flächen zu verbrauchen oder das Umland weiter zu zersiedeln? Die Antwort liegt in der intelligenten Nutzung vorhandener urbaner Potenziale. Statt weiter in die Fläche zu wachsen, richtet sich der Blick nach innen: auf ungenutzte oder untergenutzte Flächen im bestehenden Stadtgebiet.
Zentrumsnahe Verdichtung bietet eine Reihe von Vorteilen, die sowohl ökologisch als auch sozial sinnvoll sind:
- Kurze Wege reduzieren den Verkehr und fördern klimafreundliche Mobilität.
- Bodenversiegelung kann vermieden und wertvolle Grünräume im Umland geschützt werden.
- Bestehende Infrastrukturen wie Straßen, Schulen oder Öffis werden effizient genutzt.
- Nutzungsmischungen schaffen lebendige, vielfältige Quartiere mit hoher Lebensqualität.
Unser Projekt beschäftigt sich mit genau diesen Fragen. Es untersucht zentrale innerstädtische Möglichkeitsräume entlang des ehemaligen Linienwalls – heute in Form des sogenannten Westgürtels sichtbar. Entlang dieser geschichtsträchtigen Stadtkante, die einst Wiens Begrenzung markierte, bieten sich zahlreiche Potenzialflächen für eine neue, zukunftsfähige Stadtentwicklung.
Die ausgewählten Orte liegen entlang der ehemaligen Stadtbahntrasse – vom Gaudenzdorfer Gürtel im Süden über zentrale Knotenpunkte wie dem Christian-Broda-Platz, dem Europaplatz, dem Lerchenfelder Gürtel und dem Hernalser Gürtel bis hin zur Spittelau im Norden. Jeder dieser Orte bringt spezifische Bedingungen mit sich: unterschiedliche Topografien, Verkehrslagen, Bebauungsdichten und städtebauliche Kontexte.
Ziel des Entwurfs ist es, diese Orte neu zu denken: als offene, inklusive Stadträume, die sowohl architektonisch als auch sozial eine positive Wirkung entfalten. Dabei stehen folgende Themen im Fokus:
- Hybride Gebäudestrukturen
- Kommerzfreie Zonen
- Vernetzung mit dem Stadtraum
- Attraktive Außenräume
- Mobilitätswandel
Das Projekt versteht sich nicht als Masterplan, sondern als diskursiver Entwurfsansatz. Es zeigt Möglichkeiten auf, wie Verdichtung nicht Verdrängung bedeutet, wie Wachstum nicht Gleichförmigkeit erzeugt, sondern Vielfalt. Es geht darum, städtische Räume zu öffnen, zu demokratisieren und zukunftsfähig zu gestalten – räumlich, sozial und ökologisch.
Wenn Wien seine Potenziale intelligent nutzt, kann es zum Modell einer modernen, gerechten und lebenswerten Großstadt werden. Die Transformation entlang des Westgürtels ist ein exemplarisches Übungsfeld dafür.
