VU HB2 // Ringstrasse des Proletariats

Ringstraße des Proletariats 2.0

Der öffentliche Raum ist Grundvoraussetzung für städtisches Leben. Dem Flächen- und Qualitätsverlust sowie der Zweckentfremdung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raums muss entgegengewirkt werden.

Die Ringstrasse des Proletariats ist als ein politischer Gegenentwurf zur Wiener Ringstrasse, die einen Ort der großbürgerlichen Repräsentation darstellt, konzipiert. „Am 1. Februar 1923 beschließt der mittlerweile sozialdemokratisch dominierte Wiener Gemeinderat die zweckgebundene Wohnbausteuer und noch im selben Jahr ein erstes kommunales Wohnbauprogramm. Zwischen 1919 und 1933 errichtet das Rote Wien insgesamt 382 kommunale Wohnbauten mit knapp 65.000 Wohnungen. Die höchste Konzentration dieser Gemeindebauten findet sich entlang des Margaretengürtels – an der sogenannten „Ringstraße des Proletariats“. (1) Ziel war die Errichtung von der Gesundheit zuträglichen und menschenwürdigen Wohnungen für die Arbeiterschaft. Ihre Lebensqualität war größtenteils katastrophal, die Arbeitswoche hatte oftmals sieben Tage, ein Arbeitstag nicht selten 15 Stunden. Das äußere, architektonische Erscheinungsbild der durchaus monumentalen Bauten spiegelt weniger den zeitgemäßen Architekturstil der Moderne wider, als vielmehr die neuen Machtverhältnisse des damaligen Wiens. Zum Vergleich: Walter Gropius gründete 1919 das Bauhaus in Weimar, das[nbsp] heute weltweit als Heimstätte der Avantgarde der Klassischen Moderne gilt.

Vergleichbar mit dem Wiental (HB2-VU WS. 2021) und der Vorortelinie (HB2-VU WS. 2022) stellt der langgezogene Grünraumstreifen entlang des Gürtels von der Wiener Stadtwildnis am Gaudenzdorfer Knoten bis über den Matzleinsdorfer Platz eine markante städtebauliche Entwicklungsachse dar. Mit einem zukunftsorientierten städtebaulichen Konzept soll eine Verbesserung des sozialen, kulturellen und ökologischen Mikroklimas der angrenzenden Quartiere angestrebt und eine höhere Nutzungsqualität erreicht werden. Die bestehende Grünraumstreifen soll als weitgehend zusammenhängende, sozio – kulturelle Arterie entwickelt werden. Entlang dieses urbanen Trajektors sollen an neuralgischen Standorten architektonische Stents gesetzt werden, die das jeweilige Grätzel aufwerten. Die urbanistischen Interventionen sind von den Gegebenheiten und Herausforderungen des jeweiligen Standortes abhängig. Entstehen soll ein dreidimensionaler Stadtraum als öffentliches Wohnzimmer und Ort der Begegnung. Gesellschaft findet Stadt!

Die baulichen Interventionen sind unter einer holistischen Betrachtung zu konzipieren und als starke, sozio-kulturelle Statements zu formulieren. Die architektonische Struktur ist in Verbindung mit einem leistungsstarken, optimierten Tragwerk und einem ressourcenschonenden und zukunftsorientierten Energiekonzept zu entwickeln. Eine großzügige, funktionsoffene Struktur mit hoher Nutzungsqualität soll eine optimale Anpassungsfähigkeit an zukünftige Bedürfnisse ermöglichen. Das Raumprogramm ist auf die jeweiligen Gegebenheiten des Ortes abzustimmen. Ein 3-dimensionales Raumkontinuum mit multifunktionalen und veränderbaren Räumlichkeiten soll für unterschiedliche Funktionen konzipiert werden. Grundsätzlich sollen an jedem Standort Veranstaltungsflächen für 300-500 Personen sowie ausreichende Flächen zur temporären Aneignung mit niederschwelligem Zugang geplant werden.[nbsp] Um möglichst pandemie-resistente Strukturen zu gewährleisten, ist zwischen beheiztem Innen – und am besten überdachtem oder temporär eingehaustem, aber nicht beheiztem Außenraum ein Verhältnis von 1:1 anzustreben.[nbsp] Weiters ist eine strategische Reduktion des Individualverkehrs anzustreben. Eine ausreichende Versorgung mit Grün- und Außenflächen und zusätzliche Aneignungsräume sind bereitzustellen, um ein besseres Naherholungsangebot und somit eine strategische Reduktion des Wochenendverkehrs zu erreichen. Erholung findet Stadt!

(1) Faltblatt zur Ausstellung „Ringstrasse des Proletariats – ein Gegenentwurf“; Karl Marx Hof, Waschsalon Nr.2, 21.05. – 20.12.2015

Betreuung: Alexander Daxböck, Michael Felder, Silke Fischer, Margot Fürtsch-Loos, Sigfried Loos, San-Hwan Lu, Patrick Krähenbühl, Rita Pirpamer, Markus Planteu, Iris Reiter, Josef Saller, Hans Schartner, Ulrike Schartner, Daniel Schürr, Michael Seidel, Rupert Siller, Andreas Treusch, Michael Wallraff, Michael Wildmann